Clicclac Ausgabe März 2022 Insekten

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Meine Freundin Thekla ...

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Cover der Ausgabe Insekten

.. hat große Augen und fürchterlich lange Beine. Trotz dieser eigentlich die Attraktivität steigernden Attribute werden wir nicht so richtig warm miteinander. Dabei wohnt sie sogar bei mir! Laufen wir uns mal über den Weg, macht sie sich schnellsten aus dem Staub – bzw. eigentlich in den Staub – und ich erschrecke mich jedes Mal mächtig. Thekla ist genügsam, wohnt freiwillig im Keller und hat neben den oben erwähnten Eigenschaften sogar noch ein seidig glänzendes Fell. Sie steht somit Hunden und Katzen in Sachen Attraktivität eigentlich in nichts nach. Trotzdem ist ihr Erfolg als Haustier verschwindend gering. Obwohl sie sich selbst versorgt, von alleine Gassi geht und völlig autonom existiert, ist sie eher unbeliebt. Mit ihr als Haustier beginnt mein Tag nicht damit, tief gebückt dampfende und stinkende Kackehaufen in Plastiktüten zu verpacken. Ich muss auch nicht bei miesestem Wetter abends noch mal “um den Block”, um dann wiederum Waldis Hinterlassenschaften zu beseitigen. Und im Gegensatz zu Waldi ist Thekla sogar noch nützlich! Sie frisst nebenbei allerlei kleines Getier, das sonst schnell zur Plage werden könnte. Bei all diesen positiven Eigenschaften fragt man sich, warum Thekla trotz der Auszeichnung “Spinne des Jahres 2008” jeglicher Erfolg als Haustier verwehrt bleibt. Als Hauswinkelspinne (Tegenaria domestica) hat man es eben nicht leicht. Obwohl völlig harmlos und sogar nützlich werden viele ihrer Artgenossen gerne spontan zu Brei zerklopft.

Aber warum ist das so? Bei uns Menschen ist im “Eidechsenhirn” (dem Teil des Brain, in dem das nicht zu updatende Urbetriebssystem abgespeichert ist) ein tiefes Misstrauen gegen alles, was anders ist als wir selbst abgespeichert. Mit Volkes Schnauze gesprochen: “Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht”. Bei kleinen Kindern ist es übrigens aus Schutzgründen ähnlich. Sie probieren auch nur ungern neue Nahrungsmittel. Früher wäre es wenig vorteilhaft gewesen, hätte der Nachwuchs alles an Beeren probiert, was auf der Wiese oder im Wald wuchs. Dieses also gesunde Misstrauen beherrscht uns auch heute noch – ob wir wollen oder nicht. Gott sei Dank hat das Eidechsenhirn (meist) einen starken Gegenspieler – die Vernunft. Dank ihrer renne ich nicht panisch aus dem Keller oder bekomme Schreianfälle, wenn Thekla (ebenso panisch) aus ihrer Behausung flitzt. Allerdings muss die Info, dass eine Hauswinkelspinne nicht lebensbedrohlich ist, erst mal im eigenen Hirn dauerhaft abgespeichert werden. Wie schaffen wir das?

Hier führen einige Wege nach Rom. Beispielsweise schöne und gut illustrierte Sachbücher, die Spinnen und ihre auch zu den Gliederfüßlern gehörenden Kollegen, die Insekten liebevoll erklären (die im Kindergarten so beliebten Kopfläuse gehören natürlich übrigens auch dazu!).
Es gibt ebenso sehr aufwendige Dokumentarfilme über Insekten und anderes Kleingetier. Eine schöne Art sich gemeinsam mit Kindern den winzigen Lebewesen zu nähern, ist die Verwendung eines Insektenglases. Dieses meist oben mit einer Lupe versehene Gefäß ermöglicht es die schaurig-schönen Lebewesen in Ruhe aus der Nähe zu betrachten. So kann man sich der unbekannten Lebensform langsam nähern und sich mit ihnen bekannt machen. Vorbildlich ist es auch, unerwünschte Insekten mit einer Lebendfalle zu fangen und diese möglichst unversehrt vor die Türe zu befördern. Nebenbei lernen die Kinder, was es heißt, tolerant gegenüber anderen Lebensformen zu sein, was auch im menschlichen Miteinander äußerst vorteilhaft ist. Denn auch dort ist die Ausgrenzung von Mitmenschen, die irgendwie anders sind, immer noch an der Tagesordnung.

Euer
Franz Schmitt und
das Clicclac-Team

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