Clicclac Ausgabe Clicclac Mai 2022 Leben mit Handicap

Hefte
Leben mit Handicap - wer ist hier eigentlich "behindert"?

Du verlässt jetzt das Angebot von Clicclac.de

Wir weisen darauf hin, dass das Ziel des Links außerhalb von Clicclac.de liegt und wir deshalb für die folgenden Seiten nicht verantwortlich sind.

Weiter zu Issuu
Cover der Ausgabe Leben mit Handicap

Die Welt ist bunt – nicht nur in Bezug auf Hautfarben, Religionen und politischen Überzeugungen. Auch in Hinsicht auf die Fähigkeiten und Vorlieben von Menschen ist das Spektrum sehr groß. Allerdings verkörpern die meisten von uns das gesunde Mittelmaß. Das soll nicht despektierlich gemeint sein. Ist doch das Mittelmaß als solches, laut den griechischen Philosophen, der anzustrebende Idealzustand.

Es gibt jedoch viele Menschen, die sind weit entfernt von der überall akzeptierten Mittelmäßigkeit. Sie sind etwas Besonderes – allerdings nicht freiwillig.
Ihre körperlichen und geistigen Alleinstellungsmerkmale verhindern eine Integration in unsere Gesellschaft, die zwar Umweltzerstörung und Artensterben toleriert, aber schnell intolerant wird, wenn ein Mensch autistisch, körperlich behindert oder psychisch nicht belastbar ist. So betrachtet, ist die Frage doch, ob unsere Gesellschaft im Allgemeinen nicht eine gewisse Behinderung hat, wenn es um Toleranz und Empathie gegenüber den Menschen geht, die nun mal aus der Norm fallen. In dem Fall wären tatsächlich wir “Normalos” die Menschen mit Handicap. Und seien wir mal ehrlich, irgendein Handicap hat doch jeder von uns! Nur ist es eben nicht so offensichtlich. Eine schwere körperliche Beeinträchtigung lässt sich nicht so einfach verbergen wie notorischer Geiz, Alkoholsucht, Smartphoneabhängigkeit oder Social Media-Sucht. Was lernen wir daraus? Nobody ist perfekt! Auch keine ganz neue Erkenntnis, die man sich aber immer wieder ins Bewußtsein rufen sollte und auch den eigenen Kindern vermitteln sollte.

Mehr als nur behindert ist in weiten Teilen leider auch der gesellschaftliche Umgang mit Menschen, die aufgrund ihres Handicaps auf eine Betreuung angewiesen sind. Die “Unterbringung und Pflege” dieser Menschen ist für entsprechende Einrichtungen oft ein lohnendes Geschäft. In bunten Werbeanzeigen werden umfangreiche Versprechungen gemacht, die im Alltag dann leider oft nicht ansatzweise gehalten werden.

Schaut man sich die Bilanzen der dieser Dienstleister an, entdeckt man, dass hier teilweise “fette Gewinne” eingefahren werden, obwohl oder besser, weil die Betreuung und Pflege teilweise sehr zu wünschen übrig lässt. Wie kann das eigentlich sein? Unverständlich ist in diesem Zusammenhang ist die mangelhafte Kontrolle der Kostenträger, welche die teils lieblose Verwahrung der behinderten Menschen finanzieren. Ganz schlimm kann es für die solchermaßen “betreuten” Menschen werden, wenn sie nicht mehr über Angehörige verfügen, die ihre Interessen vertreten und den Einrichtungen auf die Finger schauen – in dem Fall sind die zu pflegenden Menschen diesem System schutzlos ausgeliefert. Auch für die Pfleger:innen in den Einrichtungen, ist Gewinnmaximierung auf Kosten der Betreuten eine Zumutung. Niemand, der nur einen Mindestanspruch an seinen Beruf hat, möchte unter solchen Bedingungen arbeiten.

Woran erkennt man nun Einrichtungen, denen es vorrangig um den Profit geht? Skeptisch sollte man werden, wenn Dienstleister sehr viel Geld in Werbung, Marketing und Außenwirkung investieren und quasi das “Rundum-Glücklich-Paket” versprechen.
Ein weiterer Indikator ist Wachstum um jeden Preis. Gnadenlose Expansion von Pflege-und Betreuungseinrichtungen geschieht nämlich häufig auf Kosten der Bewohner.
Interessant sind ebenfalls die Strukturen innerhalb der Einrichtungen. Liegen beispielsweise Geschäftsführung und pädagogische Leitung in einer Hand, ist Vorsicht geboten, da die Interessen dieser Bereiche eigentlich diametral verschieden und nicht in Personalunion vereinbar sind.

Ein gesundes Mass an Skepsis ist also angebracht, wenn man eine Betreuungseinrichtung für einen behinderten Menschen sucht. Es sei hier aber ausdrücklich betont, dass viele Einrichtungen das, was sie anbieten, auch ernst meinen. Und die Leistung der Mitarbeiter:innen, die sich wirklich liebevoll und kompetent um die ihnen anvertrauten Menschen kümmern, kann man gar nicht genug wertschätzen!

Euer Franz Schmitt und das Clicclac-Team

Artikel dieser Ausgabe